Montag, 3. September 2007

Wortsalat - Die Buchtipps, 03.09.07

Andrea Maria Schenkel - Kalteis
Schon mit dem Vorgänger „Tannöd“ hat es Andrea Maria Schenkel die die Top Five der Bestsellerliste geschafft. Und das neue Buch stieg auch gleich dort ein – das ist sehr selten für eine deutsche Autorin.
Krimis sind ja immer spannend, zumindest sollten sie es sein. Wenn es sich aber um eine wahre Begebenheit, einen historischen Fall handelt, wird das ganze umso spannender. Andreas Maria Schenkel hat dabei eine ganz eigene Art zu schreiben: das Buch ist ein vielstimmiges Protokoll der Aussagen und Gedanken von Opfern, Zeugen und dem Täter. Der Stil ist nüchtern, macht aber gerade deswegen den Reiz aus an diesem Krimi über die unfassbaren Abgründe der Menschen
Die Autorin rollt den Fall eines Massenmörders in den 30er Jahren auf – der Mord an einer ganzen Familie auf einem bayerischen Hof.

Andrea Maria Schenkel: Kalteis, 160 Seiten, Edition Nautilus; 12,90

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"Lexikon des Unwissens" von Kathrin Passig und Aleks Scholz

Es gibt Fragen, die die Wissenschaft bis heute nicht befriedigend beantwortet hat. Fragen, die einem auf den ersten Blick banal und belanglos erscheinen. Aber dann fragt man sich doch, warum hinter dieses Geheimnis noch keiner gekommen ist.

Z. B. Warum steigt mit der Zahl älterer Brüder die Wahrscheinlichkeit, dass man schwul ist?
Und warum bitteschön färben sich im Herbst die Blätter manche Bäume rot?
Warum täuschen 60 Prozent aller Forellen ihren Orgasmus nur vor?

Dieses Buch gibt auch keine Antwort darauf, es ist eine Sammlung der richtigen Fragen – salopp-sarkastisch geschrieben macht es neugierig auf die Welt und straft die Leute lügen, die meinen, unsere Welt sei im Wesentlichen erklärt.

Kathrin Passig und Aleks Scholz: Lexikon des Unwissens, 256 Seiten, Rowohlt Berlin, 16,90

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Lawrence Wright: „Der Tod wird euch finden“. Aus dem Englischen von Stefan Gebauer und Hans Freundl. DVA, 543 Seiten, 24,95 Euro.

Noch ein Buch über den 11. September und seine Vorgeschichte – aber eins vom diesjährigen Pulitzer-Preisträger Lawrence Wright und den hat er mit diesem Buch gewonnen.

Ihm geht es nicht darum, für den Leser das dickicht an Fakten, Theorien und Personen zu lichten, sondern ihm gerade zu zeigen, wie verwirrend das Ganze ist und dass unsere Welt – im allgemeinen wie im Fall Al-Quaida ein Labyrinth ist. „Die Dinge werden gefährlich, wenn sie einfach scheinen“, hat Lawrence Wright in einem Interview erklärt und damit seine verblüffende Auffassung der Arbeit eines Reporters und Sachbuchautors offenbart.

Lawrence Wright zieht seine Leser in den Bann, fesselt sie: mit der Geschichte über einige sehr unsymphatische Männer und deren Leben bis zu jenem Tag in New York, an dem ihre Lebenswege sich treffen.

Die von Geostrategen so gern angeführte Front der muslimischen Extremisten, die vom Maghreb bis nach Kaschmir alle zusammen nur daran arbeiten, den Westen zu bekämpfen, erscheint einem nach der Lektüre dieses Buches als schillernde Fata Morgana, so die FAZ; statt dessen bleiben zahlreiche Szenen des Bruderstreits und der absurden Entzweiungen in Erinnerung, denen man allzu gern in der Nagerperspektive beigewohnt hätte: Wie Mullah Omar, der Talibanchef, beinah aus der Hocke fällt, weil sein Gast Bin Ladin eines schönen Tages ungefragt und ungebeten mal eben den Heiligen Krieg gegen die Vereinigten Staaten erklärt, woraufhin Omar zum Telefon rennt und brüllend fragt, seit wann in diesem Land jeder den Dschihad ausrufen dürfe und wer hier eigentlich der Emir sei.

Bin Laden hat früher übrigens Fury und Bonanza geguckt und seine Heldeninszenierungen danach ausgerichtet.

Das Buch hat für Lawrence Wright auch durchaus eine persönliche Dimension: Er hat das Drehbuch für den Film „Ausnahmezustand“ geschrieben. In dem Film geht es um den Angriff islamischer Extremisten auf die USA, und das lange vor dem 11. September. Der Film gefiel einigen Leute gar nicht und als Reaktion gab es in Südafrika einen Anschlag auf ein Restaurant, zwei Menschen starben. Das hat Lawrence Wright natürlich sehr mitgenommen. Umso motivierter ging er an dieses Projekt.

Lawrence Wright: Der Tod wird Euch finden. Aus dem Englischen von Stefan Gebauer und Hans Freundl. DVA, 543 Seiten, 24,95 Euro.

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