Montag, 2. März 2009

"Bitterfotze" von Maria Sveland



Dieses Buch tut weh, denn es trifft uns empfindlich in unserem bequemen Denken über die Gleichberechtigung und zeigt uns, wie naiv wir eigentlich sind. Und wir, damit sind Frauen und Männer gemeint. Vaterschaftsurlaub? Blödsinnn! Mutter sein und Karriere machen? Unmöglich! Maria Svelands Protagonistin Sara (verheiratet, junge Mutter und freiberufliche Journalistin) ärgert sich nicht mehr über launische und mürrische Frauen. Ist sie doch auf dem besten Wege selbst so ein bitterfotzige Frau zu werden. Bitter, von all den Ansprüchen an sich selbst und von den drei Rollen, die sie zu verkörpern hat. Bitter, weil Sara täglich erleben muss: Die Gleichberechtigung von Frau und Mann exestiert nicht. Die Ehe von Saras Eltern ist dafür das beste Beispiel. Nach außen hin mimten sie das Vorzeigeehepaar mit drei Kindern und Reihenhaus. Doch hinter den Kulissen herrschte die Ehehölle. Saras Mutter schmiss den Haushalt, brachte die Kinder mit dem Fahrrad bei Wind und Wetter in den Kindergarten oder die Schule, um sich dann bei ihrer Arbeit im Krankenhaus kaputt zu schuften. Der Vater glänzte durch Abwesenheit, sitzen vorm Fernseher und lauten Streitigkeiten mit seiner Frau. Angefangen bei dieser Rollenverteilung setzt sich Saras Erfahrung zum Thema Gleichberechtigung in ähnlicher Weise fort. Männer, die sich im Beruf mit nichts als heißer Luft und Ideenklau an die Spitze bringen; Medien, die allein die Frau und ihre Selbstsucht dafür verantwortlich machen, dass die Geburtenrate sinkt; die Gesellschaft, in der Diskriminierung und brutale Gewalt gegen Frauen toleriert wird. Zu ihrem Schrecken erkennt Sara aber auch, dass es vor allem die Frauen selbst sind, die die alte Rollenverteilung fördern und der Gleichberechtigung die kalte Schulter zeigen. Frauen, die den Männern rund um den Haushalt das Handeln und Denken abnehmen; Frauen, deren Kopf voll mit Dingen ist, um die sich der Mann genauso gut kümmern könnte und die zu bequem und zu gut erzogen sind, sich die gleichen Rechte wie die Männer herauszunehmen. Diesem Verhaltensmuster schwört Sara ab. Sie beansprucht für sich den nötigen Freiraum, haut für eine Woche in den sonnigen Süden ab und überlässt Mann und Kind für eine Woche sich selbst. Unmöglich, wie ihre Freunde und Familie finden. Unmöglich fanden es Freunde und Familie aber nicht, als Saras Mann sie kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes wegen eines beruflichen Projekts gleich für ein paar Wochen alleine ließ. So sitzt Sara nun auf Teneriffa, genießt die Einsamkeit, die große Sehnsucht nach Mann und Kind, und fragt sich: Bin ich glücklich mit meinem Leben und lebe ich ein Leben wie ich es leben möchte? Die Antwort auf diese Frage muss sich jeder von uns selbst geben, doch müssen wir uns vor allem mit Maria Svelands unangenehmer Wahrheit über die vermeintliche Gleichberechtigung auseinander setzen, die sie uns radikal und schonungslos in Bitterfotze präsentiert. Klar und schnörkellos zeigt Sveland, mit welchen sozialen Rollenmustern wir wirklich leben und hinter was für Gleichberechtigungslügen wir uns verstecken. Weder Frauen noch Männer kommen dabei gut weg und manchmal muss man das Buch zur Seite legen, weil die darin entlarvte Wahrheit so schmerzhaft ist wie eine Ohrfeige. Das Schöne an Maria Svelands Buch ist aber, dass zwischen all der Wut und Heftigkeit auch leise Zwischentöne durchdringen, die zum Nachdenken anregen: Übers Kinderkriegen und das, was wirklich im Leben wichtig ist.

Bitterfotze von Maria Sveland ist absolut empfehlenswert und verrät euch mehr über den Stand der Gleichberechtigung in unserer Zeit als manche Gender Studies. Erschienen ist Bitterfotze als Taschenbuch im Verlag Kiepenheuer und Witsch und kostet ca. 8,95 €.

(Katinka Müller)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen