Dienstag, 21. Oktober 2008

Theater Kristall spielt "Über die Schädlichkeit des Tabaks", "Der Heiratsantrag" und "Der Bär" von Anton Tschechov


Wie tückisch die Liebe sein kann, hat am Wochenende die Theatergruppe “Theater Kristall“ im Theater 99 gezeigt: Drei Einakter von Anton Tschechov, mit Verzweiflung, Wut und viel Liebe hintereinander weggespielt.

Was tut ein Wissenschaftler (herrlich zerzaust: Dr. Karl Schulz), wenn seine Frau ihn dazu verdammt, einen Vortrag „über die Schädlichkeit des Tabaks“ zu halten, obwohl er selbst starker Raucher ist? Natürlich: er nutzt die Gelegenheit, kurzzeitig Reißaus zu nehmen, dem Publikum sein Leid zu klagen und über seine Frau herzuziehen. Schließlich hat er über 30 Jahre unter ihrer Fuchtel gestanden. Verraten wird ihn niemand.

Ute Pöhler an der Violine und Dr. Siegfried Kruse am Klavier leiteten durch die Umbaupausen und stimmten auf das nächste Stück ein. „Der Heiratsantrag“, der nicht ausgesprochen wird, weil sich das angehende Paar darüber in die Wolle bekommt, welcher Hund denn nun der bessere ist oder wem die Ochsenwiesen gehören. Dabei wäre doch alles so einfach, wenn da nicht noch die Herzbeschwerden und die zuckende Hüfte des Göttergatten wären. Gehrt Hartjen spielt den aufgebrachten Ehemann Ivan Vassiljewitsch so übertrieben, dass kein Auge trocken bleibt. Man möchte am liebsten die Bühne stürmen und die angehende Braut Natalja Stephanova (genial zickig auf ihrem Recht beruhend: Angela Wiesenthal) tatkräftig unterstützen.

Begleitet von Portnoffs Melodie der Russischen Fantasie geht der Vorhang ein drittes Mal auf. „Der Bär“ von Tschechov lässt Großes vermuten. Eine Witwe hat sich vorgenommen, ihr Haus nicht mehr zu verlassen. In mehrere Schichten schwarzes Trauergewand gehüllt sitzt sie da und bemitleidet sich selbst. Ist nur die Frage, warum sie das Haus nicht mehr verlässt. Aus Trauer, oder aus Angst vor all den Menschen, denen ihr Mann noch Geld schuldet? Einer lässt sich nicht so leicht vom Diener (großartig in lila Pumphose und Kniestrümpfen: Bernd Magdsick) abwimmeln. Morgen ist Zahltag und er will nicht eher gehen, bis er sein Geld bekommt. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes „zum Schießen“, wenn Marita Dreckmeyer als Witwe lieber die Herausforderung zum Duell annimmt, statt mit dem Geld herauszurücken. Schön zu beobachten, wenn sich der ein oder andere Zuschauer duckt, weil ihm das Gefuchtel mit den Revolvern auf der Bühne nicht ganz geheuer ist. Natürlich siegt auch hier wieder die Liebe. Eine Kussszene, wie sie bei Titanic oder Pretty Woman nicht schöner hätte sein können: Der „Bär“ und die Witwe in trauter Zweisamkeit.

Anton Tschechov schafft es, dem Wertewandel in Russland um 1900 mit Humor und Sarkasmus ins Gesicht zu sehen. Die Laienschauspieler des Theater Kristall bringen die drei Einakter mit viel Enthusiasmus und Herzlichkeit auf die Bühne, sodass man für einen kurzen Moment aus dem kleinen Theatersaal in die verkorkste Welt des russischen Landadels abtaucht. Das selbst gebaute Bühnenbild und die Kostüme hinken "professionellem" Theater in keinster Weise hinterher.

Fazit: Ein unterhaltsamer Abend, an dem die ein oder andere Lachträne vergossen und die „Russische Fantasie“ auf dem Nachhauseweg gepfiffen wird. Anton Tschechovs „Die Tücken der Liebe“, unbedingt anschauen!


Weitere Termine:

06. Dezember 2008 (Jh. St. Katharina, Kohlscheid, Markt)

14. Januar 2009 (Theater am Venn, Roetgen)

31. Januar 2009 (Klösterchen, Herzogenrath)

07. März 2009 (Jakob-Büchel-Haus, Walheim)

Weitere Informationen zu den Stücken und wie ihr beim Theater Kristall mitmachen könnt, findet Ihr unter http://www.theaterinaachen.de/.

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